Reiner Braun am 29.10.2025:Friedensopportunismus

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„Ein großer Krieg wird politisch vorbereitet“ – Wo steht die Friedensbewegung dabei? |
Zwischenfrage: Was meinen Sie genau mit „Friedensopportunismus“ von Teilen der Linken“?
Eine klare Anti-Kriegs-Position ist heute auch bei Linken nicht mehr durchgängig vorhanden. Da wird über Waffenlieferungen an die Ukraine positiv diskutiert, da wird die Alleinschuld am Ukrainekrieg nur an Russland geschoben, da wird über Putinversteher fabuliert und im Europaparlament Aufrüstung und Kriegsvorbereitung mitgetragen. Gleichzeitig gibt es auch positive Unterstützung für Friedens- und Abrüstungsforderungen und deutliche Solidarität mit Palästina. Sich bisher als links verstehende Gewerkschafter und Politiker der Partei die Linke thematisieren ja durchaus den zu erwartenden massiven Sozialabbau angesichts des enormen Militärhaushalts, vermeiden aber die Konsequenz, nämlich zu Widerstand gegen die Kriegsvorbereitungen aufzurufen. ‚Butter statt Kanonen‘ wird nicht ernsthaft gefordert und dafür auch mobilisiert. Gerade in der Linkspartei gibt es in Funktionärskreisen diese Weigerung, den politischen Ausweg in der untrennbaren Verknüpfung zwischen Kriegskeynesianismus, Militarisierung zu suchen und zu propagieren. Diese Ambivalenzen in der Friedensposition würde ich zusammenfassend als Friedensopportunismus bezeichnen.
Gerade hat sich Ole Nymoen, der ja mit seinem Buch „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde: Gegen die Kriegstüchtigkeit“ bereits klar Stellung genommen hat, zur Positionierung der Linken in Sachen Wehrpflicht geäußert. Ich zitiere:
Genau diese Behauptung – dass das Interesse des Staates und das der Bürger eins seien – müssen Linke zurückweisen. Offensichtlich verteidigen sich zwangsrekrutierte junge Männer im Krieg nicht selbst, sondern sie verteidigen den Staat gegen ihren Willen. Wer gegen den Militarismus ankämpfen will, der muss sich trauen, dieses angebliche »Wir«, das »sich« verteidigt, zu hinterfragen. Und der muss sagen: Wie die Vaterlandsverteidigung organisiert wird, interessiert uns nicht. Wir wollen junge Leute gegen den Krieg agitieren – selbst wenn uns das von den anderen Parteien und den großen Medienhäusern übelgenommen wird. Genau das traut sich die Linkspartei aber nicht.
Das Interview führte Marcus Klöckner.
Dieses Interview erscheint auf PhenixXenia.org mit Genehmigung der Nachdenkseiten wo es am 29. Oktober 2025 erstmals publiziert wurde.